MachtFrage 265

Am Mittwoch, dem 22.September 2004 druckte die Aachener Zeitung auf Seite 28 folgenden
Leserbrief:

Neutral und emotionslos

Ulrike Schaffrath, Carl-Alexander-Straße 12, aus Baesweiler sieht hin und wieder Bericht und Kommentar vermischt:

Immer wieder fällt mir auf, dass Berichte eher den Charakter eines Kommentars haben; insbesondere Artikel auf der Titelseite der Zeitung sollen doch - so meine ich - den neutralen Charakter einer Berichterstattung haben. Die subjektive Meinung eines Redakteurs zu irgendeinem Thema ist sicherlich auch in Ordnung und findet genügend Raum auf den Innenseiten der Zeitung, dennoch würde ich mir wünschen, dass zumindest die Berichte auf der ersten Seite den Leser zunächst ganz neutral oder emotionslos informieren.

Vielleicht hat es auch mit der Kaufkraft zu tun, dass ,,Schlagworte" mehr anlocken sollen und deshalb den Journalisten zu Attributen oder Adjektiven greifen lassen, die eben nicht objektiv sind. Ich bitte Sie herzlich darum, in sachlichen Berichten auf emotionelle Beiwörter zu verzichten.

Warum muß diese Leserin ihre Tageszeitung um etwas bitten, das eigentlich selbstverständlich ist?
Lernt ein Volontär, ein Student der Journalismus studiert oder ein fest (oder frei) beschäftigter Redakteur einer Zeitung (eines Magazins, TV-Senders) den Unterschied zwischen dem Charakter eines Kommentars (Meinungswiedergabe) und einem Bericht (reine Faktendarstellung) überhaupt noch kennen?
Haben Sie schon einmal gerhört, wie Redakteure das Attribut "neutral" generell als "geringwertig oder wertlos" abqualifizieren und bestenfalls noch "ausgewogen" gelten lassen? Wobei das "Wiegen" dann schon in den hoheitlichen Händen des gutmenschlichen Journalisten liegt?

"Darf Advocatus Diaboli solche Fragen stellen? Hätte nicht jeder die Macht dazu?"